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- „Wenn man zu dogmatisch agiert, läuft man Gefahr, vom Markt deutlich abgehängt zu werden.“
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Seit der globalen Finanzkrise 2008 schnitten Growth-Aktien deutlich besser ab als Value-Werte. Doch in den vergangenen Monaten hat sich das Blatt zugunsten von Value-Aktien gewendet. Ist jetzt sogar ein langfristiges Comeback denkbar?
Marcus Poppe: Die staatlichen Stützungsprogramme in Folge der Coronakrise waren so stattlich, dass die Chance auf ein höheres und länger anhaltendes Wirtschaftswachstum diesmal etwas größer ist als in den vergangenen zehn Jahren. Mit strukturell etwas höheren Inflationsraten sollten sich auch die Zinsen nach oben bewegen. Dann spricht sehr viel dafür, dass Value-Aktien sich über einen längeren Zeitraum besser als reine Wachstumswerte entwickeln könnten.
Jarrid Klug: Wenn wir jetzt in der Erholungsphase mit staatlicher Unterstützung mehr Gewinnwachstum sehen, sollte der Value-Bereich nicht nur ein relativ ordentliches Gewinn-Momentum haben, sondern zusätzlich von einer Bewertungsaufholung profitieren. Die 20 Prozent, die Value-Aktien gegenüber Growth-Papieren seit Beginn der Rotation im November 2020 besser abgeschnitten haben, sind auf den ersten Blick viel, aber im historischen Kontext nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Auf Sicht von 10 Jahren hat der Stil „Wachstum“ den Stil „Value“ um 140 Prozent übertroffen. Das kam zwar durch eine weitaus bessere Gewinnentwicklung zustande, aber zu einem großen Teil auch aus der Ausweitung der Bewertungsprämien für den Wachstumsbereich.
Warum schnitten Growth-Aktien seit der globalen Finanzkrise 2008 überhaupt deutlich besser ab als Value-Werte?
Poppe: Die Sektoren, die klassischerweise im Value-Segment zu finden sind, benötigen etwas mehr Wachstum, um eine überdurchschnittlich gute Gewinn-Dynamik zu erzielen. Weil das Wachstum ausgeblieben ist, haben sich die Unternehmen beziehungsweise deren Aktien in Relation zu Wachstumsaktien schwergetan. Abgesehen von kurzen Phasen wirtschaftlicher Erholung war Value daher in den vergangenen zehn Jahren weniger gefragt.
Was sind die typischen Merkmale von Value-Unternehmen, die für Sie eine Rolle spielen?
Klug: Generell steht Value dafür, dass man die Aktien eines Unternehmens mit einem Abschlag zum fairen Wert des Unternehmens kaufen kann. Wir haben für unseren Investmentprozess zwei Arten von Value-Aktien definiert. Wir setzen zum einen auf stabile Value-Aktien, hinter denen ein qualitativ sehr hochwertiges Geschäftsmodell steht. Zum anderen suchen wir zusätzlich nach Unternehmen, die aufgrund einer nicht besonders positiven Geschäftsentwicklung signifikantere Bewertungsabschläge haben – etwa mit Aussicht auf einen Turnaround.
Wie unterscheidet sich der Value-Ansatz des DWS Global Value von dem einer klassischen Value-Strategie?
Klug: Klassischerweise basiert die Value-Strategie auf historischen Kennzahlen. Mit Hilfe der DWS-Research-Plattform und unserer Analysten blicken wir aber auch nach vorne. Wir schauen uns an, wo unsere Gewinnprognosen noch nicht in den Marktschätzungen reflektiert sind. Und: Wir verschließen uns nicht vor attraktiven Unternehmen, die typischerweise dem Wachstumsbereich zugeordnet werden – sofern sie eine attraktive Bewertung und einen Abschlag zum fairen Wert aufweisen.
Widerspricht nicht das nicht dem klassischen Value-Grundgedanken?
Poppe: Wir setzen hohe Bewertungen stets ins Verhältnis zum Risiko eines Geschäftsmodells. Wenn man diesen Ansatz fährt, kann man auch hoch bewertete Geschäftsmodelle kaufen, die zwar heute, nicht aber mit Blick auf die nächsten drei bis fünf Jahre teuer sind.
Klug: Hier muss man abwägen: Ein Unternehmen, das heute optisch günstig erscheint, generiert möglicherweise viel weniger Gewinnwachstum als ein Unternehmen, das aktuell zwar höher bewertet ist, aber ein viel überzeugenderes Geschäftsmodell hat.
Wie gehen Sie bei der Suche nach passenden Unternehmen für den Fonds vor?
Poppe: Am Anfang steht die quantitative Analyse. Wir screenen das globale Aktienuniversum nach gewissen Kennzahlen, die zum Portfolio passen. Das ist der einfachere Teil. Der wichtigere, aber weit schwierigere Teil ist, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und sich zu fragen, was aktuell in die Zeit passt und welche Geschäftsmodelle gut funktionieren könnten. Viele solcher Ideen entstehen zum Beispiel im Gespräch mit Unternehmen auf Konferenzen, aber auch mit Kollegen, die bei ihrer Recherche spannende Möglichkeiten ausgegraben haben.
Gibt es Branchen, in denen Sie besonders häufig fündig werden?
Poppe: Zu den klassischen Value-Investments zählen Aktien aus den Sektoren Finanzen, Rohstoffe und Energie. Wenn das richtige Timing gelingt, bieten diese Sektoren gute Chancen auf Über-Renditen. Auch der Industriesektor hat viele Geschäftsmodelle zu bieten, die unter dem Value-Ansatz sehr gut funktionieren. In den vergangenen Jahren haben wir uns aber auch stärker auf Technologie-Aktien konzentriert.
Technologie ist ein gutes Stichwort. Neben dem Industriesektor sind Sie hier derzeit sogar übergewichtet. Was macht Sie so optimistisch?
Poppe: Aktuell profitiert der Sektor aufgrund der Knappheit bei Halbleitern. Dort haben sich die Preise besser entwickelt als noch vor wenigen Monaten erwartet. Jetzt sehen wir einen klassischen Schweinezyklus – geprägt von einer sehr hohen Nachfrage und niedrigen Lagerbeständen. Das sorgt für ein sehr gutes Preisumfeld.
Und was sorgt im Industriesektor für Rückenwind?
Poppe: Im Industriebereich profitieren derzeit insbesondere die hoch zyklischen Geschäftsmodelle von der wirtschaftlichen Erholung. Wir haben zum Beispiel im Luftverkehrssektor aufgestockt – zum Beispiel Aktien von Fluggesellschaften gekauft. Wir gehen davon aus, dass die große Reisewelle noch kommt bzw. die Normalisierung in diesem Bereich noch am Anfang steht.
Aber auch Finanzwerte sind im DWS Global Value prominent vertreten…
Klug: Richtig. Der Finanzsektor, der wirtschaftlich sehr sensitiv ist, ist einer der wenigen verbliebenen Sektoren, die sowohl auf relativer als auch auf absoluter Basis eine attraktive Bewertung aufweisen. Wenn die Zinsen wieder anziehen, sollten Finanzwerte überproportional davon profitieren können – über ihre Kreditportfolios, aber auch durch Einlagen bei den Zentralbanken.
Typisch für Value-Unternehmen sind hohe Dividendenrenditen. Wie grenzen Sie sich von den Dividendenfonds der DWS ab?
Poppe: Hauptunterschied ist, dass wir die Dividende zwar gerne mitnehmen, sie jedoch nicht in den Fokus bei der Aktienauswahl stellen. Es gibt Geschäftsmodelle, bei denen das Kapital statt für Ausschüttungen besser für die Innenfinanzierung verwendet werden sollte, etwa um die Bilanz zu verbessern beziehungsweise Wachstumsinitiativen zu finanzieren. Für uns ist es dann wichtiger, die Kursentwicklung im Auge zu behalten.
Klug: Wir haben auch einige Unternehmen im Portfolio, die gar keine Dividende zahlen.
Immer mehr Anleger legen Wert auf das Thema Nachhaltigkeit: Welche Rolle spielt das Thema ESG beim Value-Investing?
Poppe: Aufgrund der strukturell bedingten Ausrichtung des Value-Ansatzes auf bestimmte Sektoren, die nach ESG-Kriterien derzeit nicht so gut abschneiden, wie zum Beispiel der Energiesektor, müssen Value-Investoren in Zukunft noch stärker umdenken. Das wird zur Folge haben, dass bestimmte Sektoren zukünftig eine geringere Rolle spielen werden.
Der feiert am 18. Juni 2021 seinen 20. Geburtstag: Welche Lehren ziehen Sie aus den vergangenen Jahren und welchen Tipp können Sie ihrem Kollegen Jarrid Klug mit auf den Weg geben, der kürzlich von ihnen den Chefposten beim DWS Global Value übernommen hat?
Poppe: Wichtig ist, dass man flexibel bleibt und ganz pragmatisch seinen Stil anpasst. Wenn man zu dogmatisch agiert, läuft man Gefahr, vom Markt deutlich abgehängt zu werden.[1]