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- Faktencheck Europäische Aktien: Warum die Aussichten besser sein dürften als ihr Ruf
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1. Welches Potenzial hat Europa, gerade auch im Vergleich zu den USA?
„Fallende Zinsen, fallende Inflationsraten, eine erwartete Stabilisierung im Wirtschaftswachstum und damit auch im Gewinnwachstum – das sind die erwarteten Rahmenbedingungen, die wir für die europäische Wirtschaft auf Sicht von zwölf Monaten sehen“, sagt Marcus Poppe, Co-Head europäische Aktien. Das könne für die mehr oder weniger üblichen Aktienrenditen von fünf bis zehn Prozent reichen, trotz der vielen wirtschaftlichen und politischen Herausausforderungen. Was für europäische Aktien im Vergleich zu US-Aktien spreche, sei unter anderem ihr im historischen Vergleich nach wie vor überdurchschnittlich hoher Bewertungsabschlag. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt um 40 Prozent niedriger als das von US-Titeln. In den vergangen zehn Jahren lag der Abschlag dagegen durchschnittlich nur bei 20 Prozent. „Was natürlich nicht passieren sollte, ist, dass die Wirtschaft in eine Rezession abgleitet, dann dürften auch niedrigere Zinsen nicht viel helfen. Aber das ist nicht unser Basisszenario“, so Poppe.
Natürlich blieben die USA der wichtigste Aktienmarkt der Welt. Wer in Technologie investieren möchte, komme um die USA nicht herum. Zwar gebe es auch vielversprechende Technologiewerte in Europa. Aber in der Breite gelinge es Europa nicht, den USA in Sachen Technologie das Wasser zu reichen.
2. Welche Art von Unternehmen sind aussichtsreich?
„Für mich als Fondsmanager ist es wichtig, im Portfolio Sektoren und Unternehmen zu haben, die trotz eines relativ schwachen Wirtschaftswachstums Gewinnwachstum erzielen können“, so Poppe. Zudem gebe es für aktive Fondsmanager immer die Möglichkeit, Unternehmen mit Bewertungsanomalien herauszufiltern, die so hohe Abschläge hätten, dass schon kleine positive Überraschungen dafür sorgen könnten, dass sie sich deutlich besser entwickelten als der Gesamtmarkt. Auch der derzeit schwache Wirtschaftszyklus – die europäische Wirtschaft dürfte 2024 mit 0,7 Prozent und 2025 mit 1,0 Prozent nur mager wachsen – dürfte sich wieder erholen. Für diesen Fall gebe es einige Unternehmen, die so günstig gepreist seien, dass es sich lohne zu warten, bis der Kursaufschwung komme.
3. Wie ist die aktuelle Risikoeinschätzung für die Aktienmärkte? Mit welchen Schwankungen müssen Anleger rechnen?
Die Volatilität an den Aktienmärkten – speziell in den USA – hat zuletzt deutlich zugenommen, trotz steigender Aktienkurse. Das sei eher ungewöhnlich und zeige schon, dass es am Markt einige Unsicherheit gebe, so Poppe. Insbesondere angesichts des doch hohen Kursniveaus auf Indexebene. So lag der Volatilitätsindex Vix in der zweiten Oktoberwoche durchgängig über 20, das erste Mal im Jahr 2024. Auch die US-Wahl dürfte das Thema Volatilität hochhalten. Anleger überlegten möglicherweise, ob sie unter taktischen, also kurzfristigen Risikoaspekten, aus dem Markt rausgehen sollten. Doch die Frage sei natürlich, ob dann der richtige Wiedereinstieg gefunden werde. Solange die Aussichten grundsätzlich stimmten, favorisiert Poppe, im Markt drinzubleiben und Kursverluste auch einmal auszusitzen.
4. Welche Bedeutung hat die wirtschaftliche Entwicklung in China für Europa und speziell für Deutschland?
Die Bedeutung von China für die deutsche Wirtschaft ist nach wie vor extrem hoch. Allerdings habe sich in der letzten Zeit schon etwas gedreht. Inzwischen machten deutsche Unternehmen mehr Geschäft mit den USA als mit China. Poppe: „China war und ist der Wachstumstreiber. Das heißt, wenn hier etwas ins Stottern kommt, beeinträchtigt das die deutsche Wirtschaft massiv.“ Nicht nur die Automobilindustrie, sondern beispielsweise auch den Maschinenbau. Ein Drittel der weltweiten Produktionskapazität hängt in China. China sei, was Industrieinvestitionen anbelange, der wichtigste Markt der Welt und damit gerade auch für die deutschen Unternehmen sehr relevant.
Deshalb hätten viele deutsche Unternehmen im Industriegeschäft Probleme, weil da momentan in China wenig laufe. Poppe: „Die Maßnahmen, die in China zur Ankurbelung der Konjunktur ergriffen wurden, sind deshalb gut.“ Eines der Hauptziele, die Stabilisierung des chinesischen Immobilienmarktes, dürfte aber nicht über Nacht zu erreichen sein. Poppe: „Das ist ein langlaufender Sektor, den man nicht von heute auf morgen drehen kann. Die Chinesen werden jetzt nicht von einem Tag auf den anderen umswitchen und ihr zurückhaltendes Konsumverhalten komplett ändern.“ Es sei aber schon zu erwarten, dass sich die Situation in China innerhalb der nächsten Monate eher verbessern als verschlechtern werde. Das sollte dann auch leichte Wachstumsimpulse für deutsche und europäische Unternehmen liefern.
Für die deutschen Autohersteller dürfte die goldene Vergangenheit im Reich der Mitte so schnell nicht wiederkommen. China werde für sie zwar mittelfristig ein wichtiger Markt bleiben und sie werden alles versuchen ihr Geschäft dort so gut es geht zu schützen. Aber die westlichen Autofirmen würden wohl weiter Marktanteile verlieren. „Die Zeiten, in denen man in China mehr deutsche Autos zu hohen Margen verkauft, dürften vorbei sein“, so Poppe.
Deutsche Exporte profitieren nicht mehr so wie früher von chinesischem Wachstum
Quelle: Bloomberg Finance L.P., Stand: 15.10.2024
5. Kommen europäische Nebenwerte nach einer langen Durstphase jetzt wieder nachhaltig in Gang?
Nebenwerte sind aus Poppes Sicht der gehebelte Wert für „es wird schon wieder besser“. Poppe: „Sie werden in der Breite dann gut funktionieren, wenn fallende Zinsen auf eine wirtschaftliche Belebung treffen. Dann haben sie aus meiner Sicht eine sehr gute Chance, sich besser zu entwickeln als Standardwerte.“ Ein Problem vieler Nebenwerte in den letzten Jahren sei es gewesen, dass sie besonders teuer waren, das Kurs-Gewinn-Verhältnis lag bei 21. Poppe: „Da mussten sie mit steigenden Zinsen auch erst einmal ihre Bewertungsprämie abbauen. Wir hatten also eine sehr hohe Ausgangsbewertung in einen wirtschaftlichen Abschwung hinein.“
Dazu seien bei einigen Titeln erhebliche Gewinnrisiken gekommen, da Nebenwerte tendenziell ein volatileres, weil fokussierteres Geschäftsmodell hätten. Da habe es bei einigen Unternehmen signifikante Gewinnanpassungen nach unten gegeben. Hohe Bewertungen mit negativen Gewinnrevisionen könnten dann natürlich ein giftiger Cocktail für die Kursentwicklung sein.
Trendwende in Sicht: Nebenwerte auf dem Weg zu alter Stärke
Quelle: DWS International GmbH, Stand: Ende September 2024