„Geht es um die Dekarbonisierung des Transportwesens, einem der vier großen Emittenten von CO2, haben die meisten bislang an Brennstoffzellen und Elektro- sowie Hybridmotoren für Pkw und Lkw gedacht. Dass auch das Fahrrad einen wesentlichen Beitrag dazu leisten kann, war nur den wenigsten bekannt“, sagt Tim Bachmann, der den derzeit rund 275 Millionen Euro schweren DWS Invest ESG Climate Tech managt. Denn rund drei Viertel der im Transportwesen entstehenden Treibhausgase würden im städtischen Nahverkehr erzeugt, also auf Strecken wie gemacht für das Fahrrad.
Und mittlerweile zeige sich, dass immer mehr Menschen „auch tatsächlich für kurze Trips vom Auto auf das Fahrrad umgestiegen sind“. Dafür sprächen die mittlerweile auf bis zu zwölf Monate gestiegenen Lieferzeiten für Fahrräder. Auch das überdurchschnittlich kräftige Absatzplus bei den Lastenfahrrädern von 40 Prozent im vergangenen Jahr lasse darauf schließen, dass der Drahtesel zunehmend den Pkw im Alltag von Städtern verdränge. In Bachmanns Fonds machen die Aktien von Unternehmen aus der Fahrradindustrie derzeit rund 4,5 Prozent des verwalteten Vermögens aus.
Kampf gegen den Klimawandel kostet bis 2030/40 über drei Billionen Dollar – pro Jahr
Der DWS Invest ESG Climate Tech fokussiert sich auf zwei Schwerpunkte: Zum einen setzt er auf Unternehmen, die dazu beitragen, den Klimawandel abzumildern. „Um beispielsweise die im Pariser Klimaschutzabkommen festgeschrieben Ziele zu erreichen, müssen die globalen Investitionen bis 2030/2040 auf über drei Billionen Dollar jährlich steigen. Dies entspricht in etwa dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von Großbritannien oder Frankreich“, erläutert Bachmann den Investitionsbedarf.
Der zweite Anlageschwerpunkt sind Aktien von Unternehmen, die zu einer Anpassung an die bereits heute feststellbaren Symptome des Klimawandels beitragen. „Dazu zählen Allergien etwa durch die Vorverlagerung und Verlängerung der Pollenflugzeit, aber auch neue Krankheiten, die sich in die nördliche Hemisphäre ausbreiten, wie Malaria oder das Chikungunyafieber. Für die entsprechende Anpassungsstrategien müssen schon heute noch einmal 150 Milliarden bis 300 Milliarden Dollar jährlich bereitgestellt werden“, sagt der Fondsmanager.
E-Bikes dürften das Wachstum der Fahrradindustrie treiben
Derzeit hat der globale Markt für traditionelle Fahrräder und E-Bikes mit rund 45 Milliarden Dollar bereits ein Volumen, das auf dem Niveau der Pendants für Motorräder, 39 Milliarden Dollar, und Campingwagen, 50 Milliarden Dollar, liegt. Das Wachstum in den kommenden Jahren dürfte nach Einschätzung von Bachmann durch die E-Bikes getrieben werden: Wurden 2015 in Europa gerade einmal rund eine Million dieser Fahrräder neu verkauft, lag die Zahl 2020 bereits bei etwa 3,8 Millionen und soll sich bis 2025 auf fast zwölf Millionen verdreifachen. „Vor allem die verbesserte Reichweite der Batterien wird für eine zunehmende Akzeptanz durch alle Alters- und Gesellschaftsschichten sorgen“, so der ESG-Experte.
Ein umgekehrtes Bild bei traditionellen Drahteseln: Gingen 2015 noch rund 20 Millionen dieser Fahrräder über die Tresen, waren es 2020 nur noch 17 und 2025 dürften es nur noch 16 Millionen sein.
Neben dem insgesamt gestiegenen Bewusstsein für die potenziell dramatischen Folgen des Klimawandels dürften bei viele Menschen auch finanzielle Anreize den Umstieg auf das Fahrrad begünstigt haben. „Im Rahmen des ‚Grünen Deals‘ der EU beispielsweise stehen 20 Milliarden Euro zur Förderung der urbanen Mobilität zur Verfügung. Das Gros der Mittel wird zwar für den Ausbau der Radwege verwendet werden, allerdings wird ein Teil auch zur Subventionierung des Kaufs neuer Fahrräder genutzt.
Auch die bereits jetzt vielfach verbesserte Infrastruktur hat seiner Meinung nach zur Nachfrage beigetragen: „In Städten werden Parkplätze und Straßen zurückgebaut und durch Radwege oder geteilte Rad- und Busspuren ersetzt. Daneben wird das Parken auf Radwegen stärker geahndet, der Abstand beim Überholen inner- und außerorts muss größer sein und Lkw dürfen beim Abbiegen nur noch Schrittgeschwindigkeit fahren. Das macht es noch einmal etwas sicherer, sich als Radfahrer auf der Straße zu bewegen“, sagt Bachmann, der als passionierter Rennradfahrer im vergangenen Jahr rund 8.000 Kilometer zurückgelegt hat.
Quasi-Oligopol macht die Zulieferer besonders interessant
Ähnlich wie im Automobilsektor können Anleger auch in der Fahrradindustrie entweder über die Aktien der Hersteller oder die Papiere der Zulieferer investieren. „Besonders attraktiv erscheinen die Zulieferer, die über ein Quasi-Oligopol mit den entsprechend großen Marktanteilen, hohen Margen, guten Bilanzen und starker Preissetzungsmacht verfügen“, erklärt der Fondsmanager. Dazu zählt er beispielsweise die Zulieferer von Antrieben, Bremsen und speziell für E-Bikes entwickelten und produzierten Batteriezellen.
Zwar seien die Zulieferer genau wie die meisten Hersteller aktuell vergleichsweise hoch bewertet, dafür verfüge die Fahrradindustrie jedoch auch über sehr gute Aussichten. „Die Kapazitäten sind mit 80 bis 90 Prozent ausgelastet. Die Lieferzeiten liegen bei neun bis zwölf Monaten – teilweise ist sogar überhaupt nichts zu bekommen. Die Unternehmen können daher die Preise für im vergangenen Jahr bestellte Fahrräder und Komponenten rückwirkend um teilweise zehn Prozent anpassen“, sagt Bachmann.
Auch über den Tag hinaus gebe es ein visibles Wachstum. So sei die E-Bike-Penetration in Europa zwar schon recht hoch, in Deutschland beispielsweise liege der Anteil an den jährlichen Neuverkäufen bei 30 Prozent, in den Niederlanden sogar bei 50 Prozent. „Aber in Großbritannien und den USA sind es gerade einmal ein bis zwei Prozent. Und in beiden Ländern können Subventionsprogramme, die sich in unterschiedlichem Reifegrad in der Pipeline befinden, für zusätzliche Nachfrage sorgen. Dieses Thema ist bei vielen Investoren noch unterhalb des Radars und bietet daher Potenzial“, erwartet der Fondsmanager[1]