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- Architektur, die schon von Morgen erzählt
- Nullenergietechnologie gibt es immer öfter auch bei Verwaltungsbauten.
- Baubotanik macht Gebäude möglich, die aus dem Boden wachsen.
- Mikrohäuser und die Nutzung von Dachflächen vergrößern den Lebensraum in den Städten.
4 Minuten Lesezeit
1. In Freiburg steht Europas bisher größtes Nullenergiehaus[1]
Quelle: https://www.photovoltaik.eu/dach-fassade/aktuelle-meldungen-designpreis-fuer-photovoltaikloesungen © Yohan Zerdoun
Die Europäische Kommission ist der Auffassung, dass Gebäude für zirka 40 Prozent des Energieverbrauchs und für rund ein Drittel der CO2-Emissionen im Euroraum verantwortlich sind[2] Das Einsparpotential ist damit im Immobiliensektor riesig. Mit wachsender Größe wird jedoch der Weg zur Energieautarkie, gerade von Verwaltungsgebäuden, immer schwieriger. Das 2017 in Betrieb genommene Freiburger Rathaus, in dem 850 Menschen arbeiten, setzt diesbezüglich Maßstäbe. Das Nullenergiegebäude mit einer Nettogrundfläche von 22.650 Quadratmetern soll laut dem Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme Fraunhofer Institut für in der Jahresprimärenergiebilanz genauso viel Energie zur Verfügung stellen, wie es selbst benötigt. Für die Energiegewinnung wird die gesamte Gebäudehülle genutzt[3].
2. Baubotanik: Nutzbare Gebäude aus dem Boden schießen lassen
Quelle: OLA - Office for Living Architecture, www.o-l-a.eu
Beton, Stahl und andere Baustoffe produzieren in Deutschland laut NABU rund acht Prozent der Klimagase[4]. Zeit also, auch andere Materialien auszuprobieren. Im schwäbischen Nagold hat der Münchner TU-Professor Ferdinand Ludwig 2012 deshalb seinen ersten Platanenkubus gepflanzt. Aus ihm soll einmal eine als Halle nutzbare Immobile wachsen. Die „Errichtung“ des Gebäudes wird eine gegenüber Beton oder Stahl uneinholbar günstige Klimabilanz aufweisen. Ludwig konzipiert Bauwerke, in denen Weiden und Platanen – nur vorübergehend durch Stahl und Beton gestützt – nach 20 Jahren allein die Stabilität der Gebäude sicherstellen könnten. Sein Platanenkubus bekommt mit der Zeit dichte grüne Wände und ein Dach, bei dem sich die Bäume zu einer Krone schließen[5]. In Zeiten, in denen es in Städten immer heißer wird, könnten baubotanisch errichtete Immobilen an Bedeutung gewinnen. In Indien werden die Luftwurzeln des Gummibaums seit langem genutzt, um Häuser und Felder, Dörfer mit gewachsenen Brücken zu verbinden. Ludwig und sein Team studierten Lebenszyklen, Instandhaltung und die Reparatur solch „lebender“ Architekturen, um dieses Wissen auf Bauweisen bei uns zu übertragen[6].
3. Mikrobehausungen für viel zu eng und teuer gewordene Städte
Quelle: Küste, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons
Die Hans-Böckler-Stiftung schätzt, dass in Deutschland knapp 2 Millionen erschwingliche Wohnungen fehlen[7]. Um die Jahrtausendwende wurden so genannte Mikrohäuser vom Amerikaner Jay Shafer[8] für platzsparendes Wohnen und Leben mit finanzieller und räumlicher Flexibilität konzipiert. Mittlerweile sind die oft mobilen Designunterkünfte mit häufig exklusiver Ausstattung ein hierzulande auf rund 4 Mrd. Euro pro Jahr taxierter Boom-Markt – und eine Lösung für Wohnraum- und Flächenknappheit sowie explodierende Miet- und Immobilienpreise[9]. Schließlich liegen die Preise der „Tiny Houses“ in Deutschland bei in Großstädten bei kaum zu schlagenden 2.900 Euro pro Quadratmeter. Die bis zu 35 Quadratmeter großen oft energetisch autarken Häuschen sind auch ein Statement für ein urbanes Leben mit wenigen Dingen um sich herum – und gegen den Raubbau an Klima und Ressourcen.
4. „Bubbletecture“ – Aufblasen gegen den Flächenfraß
Knapp 80 Fußballfelder an Fläche werden jeden Tag in Deutschland für Baumaßnahmen verbraucht – zu Lasten von Natur und Ökosystemen[10]. Das hat den Trend zu transportablen Großimmobilien in Gang gebraucht. Die mobile Konzerthalle Ark Nova[11] war schon an vielen Orten, seit sie im September 2013[12] ihre Premiere in Matsushima in Japan gegeben hat, um wegen der Fukushima-Reaktorkatastrophe umgesiedelten Menschen Kulturevents vor die Haustüre zu liefern. Der Entwurf des Architekten Arata Isozaki und des indisch-britischen Bildhauerstars Anish Kapoor ist das Paradebeispiel für „Bubbletecture“ – mobiler Immobilien, die mit aufblasbaren Wänden enorme Innenräume aufspannen können. Wie gigantisches Obst schmiegt sich die 1.700 Kilogramm schwere Konzerthalle in die Landschaft, mit Platz für eine Bühne und Bestuhlung für 500 Personen[13]. Leicht zu bewegende, aufblasbare Gebäude stehen nicht zuletzt bei der US-Weltraumbehörde NASA hoch im Kurs – etwa wenn es darum geht, Gewächshäuser für Anwendungen auf dem Mond oder dem Mars zu schaffen. In ihnen könnten Pflanzen das von Astronauten ausgestoßene CO2 wieder in lebenswichtigen Sauerstoff und Nahrung verwandeln[14].
5. Dachparks: Den Millionenmetropolen aufs Dach gestiegen
Quelle: www.tomvanderheijden.com © Tom van der Heijden
In den Ländern der Europäischen Union beträgt der durchschnittliche Urbanisierungsgrad – der Anteil der Stadtbewohner an der Gesamtbevölkerung – bei rund 75 Prozent[15]. Die in der Regel flachen Dächer moderner Immobilien stellen damit immer wertvollere urbane Brachflächen dar, die regelrecht nach praktischer Nutzung rufen. Viel stärker als bisher, dürften die Gebäudeoberseiten künftig zu neuen urbanen Lebenswelten verbunden werden. In Großstädten wie Rotterdam etwa – dort gibt es überdurchschnittlich viele moderne Bauten – beläuft sich die Dachfläche auf zusammengerechnet rund 20 Quadratkilometer. Die niederländische Stadt hat 2022 die Flächen in Kooperation mit dem Planungsbüro MVRDV über grellorange gestaltete Brücken und Stege zu einem öffentlich nutzbaren Dachpark verbunden und damit den Startschuss zur einer Belebung und Besiedelung von Flächen geschaffen, die – außer der Erholung – in Zukunft auch im Nahrungsmittelanbau, bei der Energiegewinnung und Wasseraufbereitung, als Verkehrshubs für Flugtaxis sowie als Standort für die Besiedelung mit platzsparenden Mikrohäusern genutzt werden könnten.