Hochzinsanleihen gehören wie Aktien zu den klassischen Risikoanlagen. Was kann dafürsprechen, bei Anleihen so ins Risiko zu gehen?
Wehrmann: Hochzinsanleihen sind natürlich in der Regel wesentlich riskanter als Staatsanleihen oder Unternehmensanleihen guter Bonität. Das Risiko wurde in der Vergangenheit aber häufig auch entsprechend belohnt. Es gab sogar auch Phasen, in denen die Volatilität von Hochzinsanleihen wegen ihrer geringeren Zinssensitivität geringer war als bei Staatsanleihen. Im Vergleich zum Aktienmarkt fielen die Renditen zwar meistens etwas niedriger aus. Dafür waren aber auch die Kursschwankungen und der maximale Kursverlust meist niedriger. Der Hochzinsmarkt kann Anlegern aufgrund der relativ hohen Kupons eine attraktive Einkommensquelle bieten.
Aber das Risiko von Ausfällen, also dass die Anleihe nicht zurückgezahlt werden kann, ist doch erheblich?
Es gibt bei Hochzinsanleihen ein nicht zu ignorierendes Ausfallrisiko, das stimmt. Deswegen ist es auch wichtig, die Anlage möglichst breit zu streuen. Was die Sache aber etwas entschärft: Die meisten Unternehmen müssen nicht stark wachsen, um ihre Schulden bedienen zu können, also die Kuponzahlungen zu leisten und die Anleihe bei Fälligkeit zurückzuzahlen.
Wie hoch waren denn die Ausfallraten in der Vergangenheit? Womit müssen Anleger in der Zukunft rechnen?
In den letzten Jahren waren die Ausfallraten sehr niedrig, vor allem in Europa. Sie lagen bei einem Prozent, teilweise sogar noch niedriger. Seit 2023 haben wir einen moderaten Anstieg auf derzeit circa 1,5 Prozent gesehen. Aufgrund der gestiegenen Refinanzierungskosten und der fundamentalen Schwäche einiger Sektoren wie Immobilien, Einzelhandel oder zyklische Industrie- und Grundstoffgüterproduzenten erwarten wir einen weiteren Anstieg der Ausfallraten in Europa auf 2,5 bis 3,0 Prozent bis zum Jahresende. Das wäre dann aber immer noch leicht unter dem langfristigen Durchschnitt, der für europäische Hochzinsanleihen bei etwas über 3 Prozent liegt. Für die USA erwarten wir trotz des solideren Wachstums etwas höhere Ausfallraten aufgrund des höheren Anteils von Anleihen mit sehr niedriger Bonität (CCC). Zu einem deutlicheren Anstieg würde es wohl kommen, wenn es eine tiefere und länger anhaltende Rezession geben würde.
Für den Gesamtertrag von Hochzinsanleihen ist neben der Höhe des Kupons die Entwicklung der Zinsaufschläge entscheidend. Welche weitere Entwicklung erwarten Sie hier?
Die Zinsaufschläge gegenüber Staatsanleihen sind seit dem letzten Hoch im Sommer 2022 deutlich zurückgegangen und liegen aktuell bei ca. 360 Basispunkten in Europa (100 Basispunkte entsprechen einem Prozentpunkt) und 310 Basispunkten in USA. Damit liegen sie vor allem für Emittenten mit besseren Ratings (BB und B) in der Nähe der Niedrigstände der letzten fünf Jahre, so dass ich für diese Kategorie momentan wenig Potenzial für eine weitere Einengung sehe. Anleihen mit schlechterem Rating, vor allem in Europa, haben immer noch recht hohe Zinsaufschläge. Euro-Hochzinsanleihen mit einem CCC-Rating bieten im Durchschnitt Zinsaufschläge von mehr als 1.500 Basispunkten. Das liegt vor allem an den Problemen einzelner gebeutelter Sektoren wie dem Immobilienbereich. In den USA sind die Zinsaufschläge in diesem Segment noch relativ eng.
Wie ist das Verhältnis von Hochzinsanleihen zu Aktien?
In schweren Rezessionen haben sich beide Anlageklassen in der Vergangenheit tendenziell schlecht entwickelt, wobei Hochzinsanleihen meistens besser abgeschnitten haben. Das lag an der Erwartung, dass die meisten Anleihen auch in so einer schwierigen Phase zurückgezahlt werden und nicht ausfallen. Auch in einem Umfeld mit niedrigem oder mit Nullwachstum schnitten Hochzinsanleihen in der Vergangenheit eher etwas besser ab, da die meisten Emittenten auch in einem solchen Umfeld ihre Schulden und Zinsen in der Regel bedienen konnten. Aktien haben sich dagegen in sehr positiven Börsenphasen meist besser entwickelt. Sie haben im Prinzip ja ein unbegrenztes Kurssteigerungspotenzial. Das ist bei Unternehmensanleihen nicht so.
Euro- oder US-Hochzinsanleihen – wo sehen Sie auf Sicht von zwölf Monaten mehr Potenzial?
Wir halten den Euro-Hochzinsmarkt derzeit für aussichtsreicher, da dieser im Durchschnitt einen attraktiveren Renditeaufschlag bietet als der tendenziell teurere US-Markt. Zudem ist die durchschnittliche Ratingqualität des Euro-Hochzinsanleihemarktes besser als die des US-Marktes. Bei Euro-Hochzinsanleihen dominiert das BB-Segment mit über 60 Prozent, während dieses bei den US-Pendants unter 50 Prozent liegt. Zudem ist der Anteil von CCC-Anleihen mit sehr niedriger Bonität im Euro-Hochzinsanleihenmarkt deutlich niedriger. Das erklärt auch, warum in der Vergangenheit die Ausfallraten im Euro-Hochzinsanleihenmarkt niedriger waren.
Wie stark hängen Hochzinsanleihen von der Geldpolitik und der wirtschaftlichen Entwicklung ab?
Die Geldpolitik hat einen Einfluss auf die Staatsanleihezinsen, die Marktliquidität, die Kapitalzu- und Abflüsse bei Risikoanlageklassen, auf die Refinanzierungsbedingungen für Unternehmen und auf die Risikoeinstellung von Investoren. Damit hat sie kurzfristig auch einen Einfluss auf den Markt für Hochzinsanleihen. Langfristig ist aber das Ausfallrisiko und damit die fundamentale Entwicklung des Unternehmens für die Entwicklung entscheidend.
Wie viel Risikobereitschaft erfordert die Anlage in Hochzinsanleihen?
Es kann Phasen wie im Jahr 2008 oder im März 2020 geben, in denen der Markt aufgrund fundamentaler Verunsicherung und aufgrund drastisch nachlassender Liquidität temporär unter hohen Kursverlusten leiden kann. In diesen beiden Fällen lagen die Kursverluste temporär bei 20 Prozent und mehr. In der Vergangenheit hat sich der Markt nach solchen starken Kursverlusten aber wieder relativ schnell erholt, da mit den Kursverlusten auch die Durchschnittsrenditen und damit die Renditen im Falle eines Nichtausfalls der Anleihen drastisch gestiegen sind. Ein längerer Anlagehorizont von vier bis fünf Jahren und eine Toleranz für kurzfristige Verluste sollten deshalb Voraussetzung für Investments in Hochzinsanlagen sein.
Welchen Einfluss können die derzeitigen geopolitischen Risiken auf Hochzinsanlagen haben?
Als Risikoanlageklasse ist der Markt für Hochzinsanleihen kurzfristig auch von der Risikoaversion im Markt abhängig. Daher kann die Volatilität steigen, wenn die geopolitischen Risiken steigen. Des Weiteren können solche Risiken auch Einfluss auf das fundamentale Umfeld von Unternehmen und damit auf deren Ausfallrisiko haben.
Welche Funktion können Hochzinsanleihen in einem ausgewogenen Portfolio haben?
Hochzinsanleihen können sich nicht nur als möglichen Einkommensquelle eignen. Sie können auch zu einer besseren Diversifizierung in einem ausgewogenen Portfolio beitragen. Das liegt an ihrer relativ niedrigen Korrelation mit Staatsanleihen und zu einem gewissen Maß auch mit Aktien.
Wie wichtig ist aktives Management bei Hochzinsanleihen?
Der Hochzinsmarkt gehört zu den Anlageklassen, die nicht immer und in allen Segmenten effizient sind. Es gibt Marktphasen, in denen es aufgrund von starken Abflüssen oder Zuflüssen unserer Meinung nach zu falschen Bewertungen kommt. Des Weiteren gibt es Segmente, die von vielen Investoren weniger beachtet werden und damit attraktive Renditechancen offerieren. Beides birgt Chancen für ein aktives Management. Dazu kommt das schon angesprochene Thema des Ausfallrisikos. Aktives Management kann dazu beitragen, Anleihen, bei denen das Ausfallrisiko nicht ausreichend eingepreist ist, zu vermeiden.