Es mag gute Argumente gegen die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB)geben. Vor allem die Einführung negativer Zinsen, die sich mittlerweile bis zu Laufzeiten von über fünf Jahren selbst bei Unternehmensanleihen durchgefressen haben. Leidtragende sind nicht nur die Banken, die für ihre bei der EZB gehaltenen Reserven Zinsen zahlen müssen, sondern auch die Anleger, die mittlerweile auf einen Großteil ihrer festverzinslichen Anlagen ebenfalls negative Renditen ertragen müssen.
Da Geldpolitik allerdings kein Wunschkonzert ist, müssen sich die Investoren entweder mit der misslichen Lage abfinden oder ihre Anlagen anpassen. Jahrzehntelang konnten sie mit einem gemischten Portfolio aus Aktien und Anleihen gut leben. Die Zinszahlungen der Anleihen lieferten einen ordentlichen Puffer gegen die Schwankungen an den Börsen. Durch die seit den achtziger Jahren permanent sinkenden Zinsen erwirtschafteten zudem vor allem langlaufende Anleihen noch Kursgewinne. Portfolios mit einem Mischungsverhältnis von jeweils 50 Prozent Aktien und Anleihen haben über viele Jahre eine ähnlich gute Wertentwicklung wie Aktien erzielt. Natürlich kann eine zehnjährige Bundesanleihe immer noch Kursgewinne erzielen, falls die Renditen noch negativer werden sollten. Wer sie aber bis zur Fälligkeit hält, verliert rund fünf Prozent des eingesetzten Kapitals.
Nun hat der Anleger zwei Optionen, um dem Renditeschwund seines Portfolios zu begegnen. Er kann das Verhältnis von Anleihen und Aktien konstant lassen, aber die Rendite seiner Anleihen dadurch erhöhen, dass er neben einer längeren Laufzeit auch höhere Kreditrisiken eingeht. Als Referenz soll ein Unternehmensanleihen-Portfolio aus jeweils zehn- und fünfjährigen Anleihen folgender Unternehmen genommen werden: Allianz, Axa, Royal Dutch, Total, Deutsche Telekom und Sanofi. Betrachtet man historisch ein solches Portfolio mit einer Laufzeit von fünf Jahren, kommt man auf eine leicht negative Rendite, bei zehn Jahren schafft man immerhin eine Rendite von 0,4 Prozent jährlich, was vermutlich gerade einmal die Kosten deckt. Alternativ kommen Hochzinsanleihen in Betracht mit Renditen von durchschnittlich 3,5 Prozent. Die Bezeichnung solcher Anleihen als „Ramsch“ ist zwar irreführend, aber das Risiko der Schuldner trotzdem hoch. Die Frage, ob mit diesen 3,5 Prozent die Kreditrisiken adäquat entlohnt werden, lässt sich nur bei einem gut diversifizierten Portfolio mit „gerade so“ beantworten. Wer Kreditrisiken scheut, mag sich bei Anlagen in Dollar umschauen. Zehnjährige US-Staatsanleihen als sicherstes und liquidestes Investment bringen immerhin 2,1 Prozent. Entwickelt sich der Wechselkurs zum Euro aber ungünstig, kann die Rendite auch dahin sein.
Die andere Option der Anleger besteht darin, einen höheren Aktienanteil zu Lasten der Anleihen zuzulassen. Um einen direkten Vergleich mit den entsprechenden Unternehmensanleihen zu ziehen, nehmen wir als Referenz die Aktien der bereits bei den Anleihen genannten Unternehmen. Ein Aktienportfolio aus diesen sechs Firmen brachte den Anlegern eine Brutto-Dividendenrendite von immerhin fünf Prozent. Natürlich können die Dividendenzahlungen schwanken, über die vergangenen fünf Jahre sind aber die Dividenden der genannten Unternehmen im Schnitt um sechs Prozent gestiegen. Und noch eine andere Unwägbarkeit muss erwähnt werden: Während es bei Anleihen einen festen Rückzahlungskurs gibt, unterliegen die Aktienkurse Schwankungen ohne Endfälligkeit. Allerdings liegen die Schwankungen (auch Volatilität genannt) bei dem Referenzportfolio bei etwa 15 Prozent, der Dax schwankt hingegen um etwa 18 Prozent.
Über die zurückliegenden fünf Jahre hat das Referenzportfolio aus den sechs Werten inklusive der Dividenden jährlich etwas mehr als acht Prozent erbracht. Zum Vergleich: beim Dax waren es rund fünf Prozent, beim Euro Stoxx etwa sechs Prozent. Der verhältnismäßig stabile Anteil der Dividenden ist also für über 60 Prozent des Gesamtertrags verantwortlich. Nun ist die Vergangenheit bei Aktien kein sehr guter Indikator für die Zukunft. Aber immerhin empfehlen im Schnitt 70 Prozent der Analysten, die die genannten Unternehmen verfolgen, diese Aktien zum Kauf.
Gerade Dividendenstrategien eignen sich im Umfeld negativer Zinsen als Alternative zu Anleihen. Sie liefern ein deutlich höheres Einkommen im Vergleich zu den Anleihen bei einer vertretbaren Erhöhung des Risikos. Gleichzeitig schützen sie mit Abstand besser vor den Risiken einer eventuell wieder steigenden Inflation. Legt die Rendite für zehnjährige Anleihen um einen Prozentpunkt zu, so würde der Kursverlust bei neun Prozent liegen. Aktien hingegen dürften von höheren Inflationsraten eher profitieren.
Eine Dividendenstrategie sollte jedoch nicht unbedingt eine Alternative zu einem bestehenden diversifizierten Aktienportfolio sein, sondern dieses ergänzen. Ein Umstand lässt sich freilich nicht wegdiskutieren: Ein hohes Wachstum, das vor allem Unternehmen mit digital ausgerichteten Geschäftsmodellen vorweisen, findet man bei Unternehmen mit hoher Dividendenrendite kaum.