Anfang der achtziger Jahre war der Anteil der japanischen Börse am Weltaktienmarkt etwa so groß wie der Europas. Was danach folgte, war beispiellos in der Börsengeschichte.
Japans Aktien und die Märkte
In zehn Jahren stiegen japanische Aktien um jährlich fast 20 Prozent, ihr Anteil an der Börsenkapitalisierung stieg auf 44 Prozent. Damit hatte Japan als Symbol der wirtschaftlichen Stärke den größten Aktienmarkt der Welt.
Seitdem hat der japanische Aktienmarkt sowohl in der absoluten als auch in der relativen Bedeutung deutlich eingebüßt. In einem um die Schwellenländer erweiterten Aktienindex wie dem MSCI All Country World spielt Japan mit einem Gewicht von nur noch 7,6 Prozent eine untergeordnete Rolle, während Europa mit 18 Prozent seinen „Marktanteil“ sogar leicht ausbauen konnte. Selbst in der Regionalliga des MSCI Asia Pacific, der mit einem Gewicht von fast 31 Prozent das gewaltige Wachstum Asiens widerspiegelt, kommt Japan gerade noch auf knapp 25 Prozent. Schaut man sich die Kursentwicklung der japanischen Aktienindizes über die letzten dreißig Jahre an, hat Japan immer noch nicht die alten Höchststände aus dem Jahr 1989 erreicht. Während amerikanische Aktien in den letzten Jahrzehnten von Rekord zu Rekord geeilt sind und alle anderen Wirtschaftsregionen weit hinter sich gelassen haben, bildet Japan auch im Vergleich zu Europa stets das Schlusslicht.
Der Exportweltmeister strauchelt
Die Gründe für den Niedergang der einstigen ökonomischen Supermacht mögen vielschichtig sein. Vor allem scheint aber ein allzu großes Vertrauen in die eigene Überlegenheit und wirtschaftliche Stärke dazu zu führen, die Herausforderung durch neue Wettbewerber zu ignorieren. Im Jahr 1969 zitierte „Der Spiegel“ das Hudson Institut mit der Aussage, dass das 21. Jahrhundert vielleicht das japanische Jahrhundert sein wird. Heute ist lediglich Japans Staatsverschuldung von über 230 Prozent des Bruttosozialprodukts rekordverdächtig. Japans wirtschaftlicher Aufschwung fußte zunächst auf einer breit angelegten Industrialisierung. Exporte waren aufgrund der extrem niedrigen Kostenstrukturen auf den Weltmärkten fast konkurrenzlos. Noch heute hat der Industriesektor einen Anteil am Aktienmarkt von 21 Prozent, in den USA hingegen sind es gerade einmal neun Prozent. Vor allem zu Beginn des 21. Jahrhunderts bekam Japan dann aber in erster Linie in Basisindustrien wie der Stahl-, Schiffsbau- und Chemieindustrie starke Konkurrenz durch Südkorea. Zu diesem Zeitpunkt begann auch die technische Revolution durch das Internet Japans Wirtschaftswachstum zu bremsen. Der Marktführer für Videorekorder und Erfinder des „Walkman“ wurde durch Unternehmen wie Apple mit seinem iPod und Samsung abgelöst. Neuen Geschäftsmodellen wie denen von Google oder Amazon hatte Japan nichts entgegenzusetzen.
Zaitech-Blase führte zum Crash
Der Auslöser für Japans Abstieg in die Regionalliga war aber die sogenannte Zaitech-Blase. Der durch eine Politik des billigen Geldes losgetretene Börsenboom, nahm 1985 Fahrt auf und endete1990 in einem Crash. Unternehmen investierten in die Börse statt in ihre Wettbewerbsfähigkeit. Schätzungen zufolge kamen zu dieser Zeit 40 bis 50 Prozent der Gewinne von japanischen Unternehmen aus der Zaitech genannten Finanzakrobatik. Als die Notenbank 1989 gegensteuerte fiel das von einem exzessiven Immobilienboom begleiteten Kartenhaus zusammen. Die Bilanzen der Unternehmen mussten über ein Jahrzehnt saniert werden, was die Wettbewerbsfähigkeit schwächte. Die Banken schränkten ihre Kreditvergabe drastisch ein und die Unternehmen ihre Investitionen. Durch fiskal- und geldpolitische Maßnahmen wurde zwar eine längere Rezession vermieden, die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit wurde aber nicht mehr erreicht. Japans durchschnittliches Wachstum stagniert seitdem bei knapp einem Prozent, während etwa die Europäische Union im gleichen Zeitraum im Schnitt auf etwa zwei Prozent kam.
Demographische Entwicklung belastet
Daneben leidet Japan zunehmend unter einem demografischen Problem, welches das Wachstum zusätzlich belastet. Seit 2010 schrumpft die japanische Bevölkerung. Anders als beispielsweise in der Europäischen Union und den USA wurde und wird dies nicht durch Zuwanderung ausgeglichen. Demografischen Entwicklungen, wie einer zunehmend älter werdenden Bevölkerung, kann aber nicht mit Nullzinspolitik und wachsender Staatsverschuldung begegnet werden.
Daher ist es gerade für Europa Zeit, aus der japanischen Entwicklung seit Anfang der achtziger Jahre zu lernen und daraus rechtzeitig Schlüsse zu ziehen. Nur über Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum lassen sich auf Dauer Wohlstandsverluste vermeiden. Die Stärke des Aktienmarkts ist zwar nicht der einzige, aber trotzdem ein guter Indikator für den Wohlstand in einer Volkswirtschaft.