Ist die Korrektur am Aktienmarkt eine Kaufgelegenheit oder das Ende des Bullenmarktes?

Die Kolumne auf www.handelsblatt.com - von Klaus Kaldemorgen

Nach dem heißen Sommer wird es draußen mittlerweile empfindlich kalt. Wer seine Kleidung nicht rechtzeitig anpasst, holt sich leicht einen Schnupfen.

26.10.2018 / Ähnlich geht es den Anlegern am Aktienmarkt: Sie betrachten die gegenwärtige Korrektur bislang noch als eher saisonal bedingt. Schließlich hat der Börsenmonat Oktober ohnehin nicht den besten Ruf. Daher ist der Rücksetzer vielen Anlegern als Einstiegsgelegenheit willkommen, bevor im November die von vielen erwartete Jahresendrallye startet. Und tatsächlich spricht zumindest aus saisonalen Gründen einiges für eine Erholung zum Jahresende. Betrachtet man etwa die vergangenen zehn Jahre, zogen die Aktienmärkte im Dezember acht Mal an. Der Januar wiederum hat in sechs von zehn Fällen mit einem Minus abgeschlossen. Damit ergeben sich für flexible Anleger zwar kurzfristige Chancen. Diese sollten aber nicht über die mittelfristigen Risiken hinwegtäuschen.

Gründe für eine starke Verunsicherung der Investoren

Nach zwei heftigen Korrekturen in diesem Jahr liegen die Aktienmärkte zumindest in Euro gerechnet nur noch knapp im Plus. Die darin erkennbare starke Verunsicherung der Investoren lässt sich auf zwei Umstände zurückführen: Der vielleicht wichtigste Faktor sind steigende Zinsen. Die Rendite zweijähriger US-Staatsanleihen hat sich innerhalb eines Jahres auf über 2,8 Prozent mehr als verdoppelt. Diese vermutlich risikoärmste Anlage stellt zumindest für US-Investoren mittlerweile eine attraktive Alternative zum angeschlagenen US-Aktienmarkt dar. Hat der angesehene Chefvolkswirt von Goldman Sachs, Jan Hatzius, Recht, werden die US-Renditen aufgrund des steigenden Lohndrucks noch bis ins Jahr 2020 anziehen, sodass Renditen von fast vier Prozent erreicht werden können. Dies ist per se kein Stolperstein für den Aktienmarkt. Es sieht aber leider so aus, dass die angestoßenen Handelskonflikte auch das Wachstum der Weltwirtschaft unter Druck bringen. Es stellt sich nicht die Frage ob, sondern lediglich wie schnell und wie stark sich die Expansion im kommenden Jahr abschwächen wird. Dieser Cocktail aus anziehender Inflation, steigenden Zinsen und nachlassendem Wachstum wird mittelfristig auch die Gewinne der Unternehmen und damit die Aktienmärkte belasten. Damit dürfte die neunjährige Hausse an den US-Börsen zu Ende gehen.

Dax und europäische Aktien mit Rückgang um etwa 19 Prozent

Während sich die Aktienindizes in den USA mit einem Minus von rund 10 Prozent noch in einer Korrektur befinden, sind der Dax und europäische Aktien mit einem Rückgang um etwa 19 Prozent von der Spitze schon fast in eine Baisse abgerutscht. Dies reflektiert die zusätzlichen externen und internen Belastungen, denen Europa ausgesetzt ist. So weckt die Vorlage des gegen EU-Richtlinien verstoßenden italienischen Haushalts Erinnerungen an die Eurokrise von 2011. Damals fiel der Dax um 33 Prozent. Darüber hinaus schadet die desaströse Diskussion um den Dieselmotor vor allem der deutschen Automobilindustrie und damit unserer gesamten Volkswirtschaft. Als ob der Umbruch von Verbrennungsmotoren zu elektrischen Antrieben die Branche aber auch den Standort Deutschland nicht ohnehin vor große Herausforderungen stellen würde. Auch der durch die USA initiierte Handelskonflikt schwächt die europäische Wirtschaft. Die Europäische Zentralbank wird wegen der deutlich gestiegenen Zinsen in Italien vermutlich weiter die Füße stillhalten und geldpolitische Straffungen möglichst weit ans Ende des kommenden Jahres verschieben. Dies wird den Euro weiter unter Druck bringen. Eine Belebung der Wirtschaft durch eine expansivere Geldpolitik ist schlicht nicht möglich, da die Europäische Zentralbank über keine Munition mehr verfügt.

Für 2019 rückläufige Aktienkurse prognostiziert

Dabei bedarf es noch nicht einmal eines Rezessionsszenarios, um für das Jahr 2019 rückläufige Aktienkurse zu prognostizieren. Alleine schon ein schwächeres Wirtschaftswachstum in Kombination mit höheren Lohn- und Finanzierungskosten werden die Gewinne der Unternehmen unter Druck bringen. Aktuell ist gerade die Konsensprognose für die Gewinne der US-Gesellschaften im kommenden Jahr mit einem Plus von zehn Prozent noch unrealistisch hoch. Aufgrund der steigenden Zinsen können gleichzeitig die Bewertungen der Aktien zurückgehen. In einem solchen Szenario erscheinen Aktienkäufe nur ratsam, wenn ein hohes Maß an Pessimismus um sich greift.

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