22.06.2018 / Bei Aktien ist das genauso. Je nach Marktumfeld bevorzugen Anleger eher defensive oder offensive Aktien. Aktuell überwiegt das Interesse an defensiven Titeln, um Risiken zu reduzieren. Funktioniert das? Nach gängiger Definition ist eine defensive Aktie ein Unternehmen mit vergleichsweise gleichbleibenden Erträgen, unabhängig vom Wirtschaftsklima. Die Erwartung ist also, dass die Nachfrage nach den Angeboten dieser Unternehmen gleichbleibt, egal ob die Wirtschaft wächst oder schrumpft. Typische Vertreter sind beispielsweise die Nahrungs- und Genussmittelwerte. Gegessen und getrunken wird schließlich immer, unabhängig von der Konjunktur. Andere Sektoren, denen defensive Qualitäten zugeschrieben werden sind Versorger und Telekommunikationswerte.
Schaut man sich die Performance dieser Sektoren seit Anfang des Jahres an, so stellt man bei all diesen Sektoren Verluste fest. Tatsächlich gehören defensive Konsumwerte mit minus 3 Prozent und Telekommunikationswerte mit minus 5 Prozent weltweit zu den Schlusslichtern. Gemessen am umfassenden MSCI Welt Index sind die Aktienmärkte im gleichen Zeitraum 5 Prozent im Plus. Eine defensive Ausrichtung des Aktienportfolios hat damit ganz offensichtlich ihren Zweck verfehlt, Risiken zu verringern. Bieten defensive Aktien also einen fragwürdigen Nutzen für risiko-averse Anleger?
Zeit mit einem weitverbreiteten Irrtum der Begrifflichkeiten aufzuräumen. Als Risiko einer (Aktien-) Anlage wird in der Regel die Kursschwankung in einem vorgegebenen Zeitraum definiert. Die meisten Anleger verstehen unter Risiken allerdings eher Verlustrisiken in ihrem Portfolio. Schaut man sich die Kursschwankungen der defensiven Sektoren an, so sind diese relativ zum Gesamtmarkt niedrig. Man bekommt also keine Schnappatmung wenn man diese Werte im Portfolio hält. Der geneigte Investor wird sich allerdings die Frage stellen, was er mit Aktien soll die unter geringen Schwankungen fallen aber entsprechend auch keine Ausschläge haben. Da hilft auch die meist überdurchschnittliche Dividende der defensiven Sektoren nicht.
Sollten Investoren vielleicht auf das Gegenteil setzen? Dies wären dann zyklische Unternehmen, deren Einkünfte je nach Wirtschaftslage mehr oder weniger stark fluktuieren. Dazu gehören typischerweise Industrietitel und Rohstoffaktien. Beide Sektoren haben zwar eine leicht positive Performance in diesem Jahr, insgesamt liegen aber auch sie hinter dem Durchschnitt des Marktes. Man mag nachvollziehen, dass nach einem langen Wirtschaftsaufschwung, wie wir ihn aktuell immer noch erleben, die Gewinne dieser Sektoren eher oben als unten sind. Ein wirtschaftlicher Abschwung könnte die Gewinne und damit auch die Kurse unter Druck setzen. Wie also investieren in Offensive? Es lohnt sich im Kontrast zu den defensiven und zyklischen Sektoren nach den Faktoren zu fragen, die für die Performance der seit Jahresbeginn erfolgreichsten Sektoren verantwortlich sind. Klarer Gewinner im Sektorenvergleich ist der etwas sperrig klingende Sektor “Informationstechnologie“, der den MSCI Welt Index seit Beginn des Jahres mit 17 Prozent um mehr als das Dreifache übertrifft. (Überraschenderweise liegt auch der zyklische Konsumgütersektor weit vorne mit einem Plus von 12 Prozent. Wenn man genauer hinsieht, enthält dieser Sektor neben Autos und Einzelhändlern (z.B. WalMart minus 11 Prozent) aber auch Internet- bzw. Technologiewerte wie Amazon (plus 53 Prozent) und Netflix (plus 124 Prozent) und wird von diesen zunehmend dominiert.)
Der alles überschreibende Erfolgsfaktor des Technologiesektors, und hier vor allem der Internetplattformen, ist das hohe kontinuierliche Wachstum der Gewinne. Das treibt die Kurse. Dabei stört es die Investoren wenig, dass die Kursschwankungen heftiger ausfallen als im Marktdurchschnitt. Auch hohe Bewertungsfaktoren wie KGV und Preis/Buch Verhältnis stören nicht. Selbst kaum nennenswerte Dividendenrenditen werden hingenommen. Offensive ist halt doch unabdingbar. Genau wie beim Fußball. Vielleicht sollten Anleger die über ihre defensiven Anlagen ins Grübeln kommen, sich daran ein Beispiel nehmen. Aus einer starken Defensive heraus sollte man nicht die Offensive vergessen. Ansonsten wird die Torausbeute mager ausfallen.