25.05.2018 / Man traut seinen Augen kaum. Gerade zwei Monate ist es her, da notierte der repräsentative MSCI Welt Aktienindex mit einem Verlust von minus 5,4 Prozent für das laufende Jahr. Mittlerweile kommt er auf ein Plus von 4,5 Prozent. Dies ist eine bemerkenswerte Entwicklung angesichts oder gerade wegen des Pessimismus, der sich bei den Anlegern gegen Ende des ersten Quartals 2018 breitgemacht hat. Die Frage, ob man denn in diesem Jahr überhaupt noch mit einer positiven Wertentwicklung rechnen kann, gehörte zum Standardrepertoire bei Kundenveranstaltungen. Schwerer zu ertragen war sicherlich die Medienschelte über schlechte, weil negative (kurzfristige) Fondsperformance.
Welche Erkenntnisse ergeben sich aus der Marktbewegung der letzten zwei Monate? Schon zu Beginn des Jahres wurden die Aktienmärkte von starken Schwankungen erfasst, stets ein Zeichen von großer Unsicherheit und konträrer Einschätzung der Investoren. Eher Konsens unter vielen Investoren war eine weitere Schwäche des US Dollars, den führende Investmentbanken perspektivisch bei 1,30 zum Euro gesehen haben. Tatsächlich hat gerade ein festerer US Dollar für eine aus Euro-Sicht erfreuliche Wertsteigerung bei Aktien gesorgt. Während der MSCI Welt in Euro ein Plus von 4,5 Prozent erzielte, war das Ergebnis in US Dollar mit 2,4 Prozent um einiges schwächer. Auch die europäischen Börsen haben deutlich von der Trendumkehr des US Dollars profitiert, hatten doch die Unternehmen noch Ende des ersten Quartals vor der Belastung durch einen schwachen Dollar gewarnt. Steigende Ölpreise, die seit Mitte März um 18 Prozent gestiegen sind, waren neben dem US Dollar ebenfalls hilfreich für die Börsenentwicklung. In den USA haben sich die Energiewerte um mehr als acht Prozent entwickelt, in Europa sogar um 15 Prozent.
Selbst die latente Gefahr eines Handelskrieges der USA mit wem auch immer hat den Aufwärtstrend bislang nicht stoppen können. Dies mag daran liegen, dass Trumps Verhaltensmuster bei diesem Thema sehr volatil ist. Am freundlichsten lässt sich seine Politik mit „Zuckerbrot und Peitsche“ umschreiben. Bei jedem Knall mit der Peitsche scheinen die Aktienmärkte sich aber mittlerweile schon auf das Zuckerbrot zu freuen und steigen. Das Leben an der Börse erscheint wieder so schön und entspannt wie die Sonnenstrahlen im Mai. Rechnet man die Kursgewinne hoch, so kommt man für Euro-Anleger wieder auf einen Jahresertrag von etwas über 11 Prozent, natürlich theoretisch.
Dumm, dass ausgerechnet jetzt Italien die Frühlingsgefühle der Börse mit einer neuen Regierung stört. Schuldenerlass und höhere Staatsverschuldung kombiniert mit kurzfristigerer Finanzierung sind nur einige der Vorschläge, bei denen wieder Erinnerungen an die Eurokrise in Griechenland wach werden. Innerhalb weniger Tage fielen auf die wenig durchdachten Konzepte die italienischen Staatsanleihen wie ein Stein. Zehnjährige Anleihen verloren 6,3 Prozent, während die Renditen von 1,7 auf 2,4 Prozent stiegen - trotz Mario Draghis unvermindertem Kaufprogramm. Angesichts der hohen politischen Unsicherheit in Italien erscheinen auch 2,4 Prozent nicht gerade ein Schnäppchen zu sein. Auch der italienische Aktienmarkt büßte mit minus sieben Prozent kräftig ein, liegt aber mit fast fünf Prozent im Kalenderjahr an der Spitze aller europäischen Aktienmärkte. Sie werden vermutlich erraten warum - mit ENI ist im Index einen Ölwert vertreten, der satte 15 Prozent zugelegt hat.
Russland hingegen konnte trotz seiner Öl- und Gasproduktion noch nicht von den steigenden Energiepreisen profitieren. Der Rubel musste Währungsverluste in Höhe von 4 Prozent gegenüber dem Euro hinnehmen. Fünfjährige russische Staatsanleihen rentieren in Rubel etwa 7 Prozent, bei einer Verschuldung von 11,8 Prozent zum Bruttosozialprodukt (vgl. Italien 131,8 Prozent). Die Inflationsrate in Russland liegt bei 2,4 Prozent. Der Strukturnachteil von Mütterchen Russland: Draghi kauft keine russischen Bonds und Trump mag sie auch nicht.