22. Dez 2020 Aktien

Warum 2021 dem Aktienmarkt ein Wechselbad der Gefühle bescheren dürfte

Aktien sind durch die Nullzinspolitik der Notenbanken nahezu alternativlos. Kurzfristige Irritationen können aber für heftige Kursreaktionen sorgen.

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Die Möglichkeiten, durch Digitalisierung kontaktlos zu kommunizieren, zu arbeiten und einzukaufen, haben Unternehmen wie Apple, Amazon, Alphabet, Facebook oder Paypal einen Höhenflug beschert.

Klaus Kaldemorgen, Fondsmanager

Es gab wohl selten ein Jahr, in dem die Schere zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung und der Entwicklung an den Aktienmärkten so weit auseinandergeklafft hat wie 2020. Während etwa die OECD wegen der Coronavirus-Krise einen Rückgang des weltweiten Bruttoinlandsprodukts um gut vier Prozent erwartet, stiegen die Aktienkurse in Euro gerechnet global um über fünf Prozent. Für einen Dollar-Anleger sogar um mehr als 14 Prozent. Aber auch an den Aktienmärkten selbst gibt es große Unterschiede. Während US-Technologieaktien in Euro gerechnet um 30 Prozent zugelegt haben, verzeichneten europäische Aktien im Durchschnitt Verluste von fünf Prozent. Value- oder Dividendenaktien verloren im Schnitt 8,5 Prozent, während Wachstumswerte weltweit 22 Prozent zulegen konnten.

Schnell hatte der Aktienmarkt sein Urteil über die Gewinner und Verlierer der Coronavirus-Krise gefällt. Die Möglichkeiten, durch Digitalisierung kontaktlos zu kommunizieren, zu arbeiten und einzukaufen, haben Unternehmen wie Apple, Amazon, Alphabet, Facebook oder Paypal einen Höhenflug beschert. Gleichzeitig haben Anleger die Kursverluste zu Beginn der Coronavirus-Krise genutzt, um wieder stärker in Aktien zu investieren.

Die dadurch entstandene Entkopplung zwischen der Aktienkursentwicklung und der wirtschaftlichen Realität ist nur gefühlt ein Widerspruch. Denn durch die massiven Käufe von Staats- und Unternehmensanleihen, haben die wichtigen Notenbanken nicht nur den Weg für umfangreiche staatliche Hilfen geebnet, sondern auch die Zinsen abgeschafft. Und die Nullzinspolitik wird dank der explodierenden Staatsschulden keine vorübergehende Erscheinung bleiben. Dadurch wird die Alternativlosigkeit der Aktienanlage gegenüber Anleihen erdrückend. Auch wenn die Wirtschaft zurzeit am Boden liegt, ist mit dem Beginn der Impfungen ein Zeitplan für die wirtschaftliche Normalisierung vorgegeben. Da an den Anleihenmärkten das Warten auf einen Aufschwung nicht durch Zinsen honoriert wird, ist es rational, möglichst früh Anlagekapital in Aktien umzuschichten, solange man das Risiko kurzfristiger Schwankungen – aktuell ausgelöst durch die Mutation des Coronavirus – aushalten kann. Der rekordverdächtige Anstieg der Geldbestände auf Einlagenkonten zeigt, dass durch die von den Zentralbanken zur Verfügung gestellte Liquidität weiterhin mehr als genügend Anlagekapital zur Verfügung steht.

Klaus Kaldemorgen

Fondsmanager

Das Jahr 2020 hat an den Kapitalmärkten eine ungewöhnliche Geschichte geschrieben, die letzten Endes für die Anleger in den meisten Fällen gut ausgegangen ist. Deshalb sollte die gute Stimmung zum Jahresende nicht ohne weiteres fortgeschrieben werden. Das Gefühl, dass die Aktienmärkte – wie so oft – eine Entwicklung mit erheblichen Vorlauf vorwegnehmen, ist nicht unbegründet. Was könnte also einem weiteren Anstieg der Kursentwicklung im Wege stehen?

Zunächst werden die Unsicherheit über die Länge des zweiten „Lockdowns“ sowie über die Geschwindigkeit der Immunisierung durch Impfungen die Märkte kurzfristig in Atem halten. Dies wäre aber eher als kurzfristige Irritation zu werten, auch wenn die Kursreaktionen durchaus heftig ausfallen könnten.

Deutlich ernster zu nehmen ist die Gefahr steigender Inflationserwartungen beziehungsweise der tatsächlichen Inflationsraten, wenn das Wirtschaftswachstum gegen Mitte des Jahres Fahrt aufnimmt. Grund hierfür ist die enorme Ausweitung der Zentralbankgeldmenge, die seit der Lehman-Krise von 900 Milliarden Euro auf etwa 6.000 Milliarden Euro bis zum Sommer kommenden Jahres steigen wird, so zumindest die Erwartung von Hans-Werner Sinn. Der Ökonom und ehemalige ifo-Chef weist darauf hin, „dass die EZB immer mehr Zettel verteilt, die Ansprüche auf ein Sozialprodukt beinhalten, das gar nicht erzeugt wurde“. Hinzuzufügen wäre, dass dies in weit höherem Ausmaß auch für die US-Notenbank Federal Reserve gilt.

Aber wie würden die Kapitalmärkte auf eine Reflationierung reagieren? Leidtragende wären zunächst Anleihen mit längeren Laufzeiten. Selbst wenn man noch nicht davon ausgehen sollte, dass die Zentralbanken in den kommenden ein bis zwei Jahren ihre Zinspolitik ändern werden, so wird der Verkaufsdruck seitens der Anleger stark zunehmen. Ob die Zentralbanken ihre Kaufprogramme zur Stabilisierung der Renditen dann noch weiter ausdehnen werden, ist aber fraglich.

Der Aktienmarkt sollte zunächst von einer Reflationierung der Wirtschaft profitieren. Insbesondere zyklische Unternehmen, deren Geschäftserfolg stark vom Anstieg des Bruttoinlandsprodukts abhängt, dürften deshalb im Jahre 2021 zu den Gewinnern zählen. In jedem Fall ist darauf zu achten, dass Preiserhöhungsspielräume bei den Geschäftsmodellen der Zykliker vorhanden sind. Sollten die Kapitalmarktzinsen am langen Ende steigen, so kann dieser für die Bewertung des Aktienmarkts eigentlich negative Effekt durch die überproportional steigenden Gewinne zumindest einige Quartale deutlich überkompensiert werden. Die strukturellen Wachstumsunternehmen aus der Technologiebranche dürften hingegen kaum an die Kurssteigerungen des Coronavirus-Jahrs anknüpfen können. Die während der Krise stark gestiegene Nachfrage nach digitalen Produkten und Dienstleistungen dürfte sich 2021 zumindest erst einmal normalisieren.

"Selbst wenn man noch nicht davon ausgehen sollte, dass die Zentralbanken in den kommenden ein bis zwei Jahren ihre Zinspolitik ändern werden, so wird der Verkaufsdruck seitens der Anleger stark zunehmen. "

Klaus Kaldemorgen, Fondsmanager

DWS Concept Kaldemorgen

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